Selbstverständnis und Konzept der Seelsorge

Präambel
Seelsorge im Krankenhaus - Weggemeinschaft auf Zeit

Menschen im Krankenhaus begegnen sich in unterschiedlichen Zusammenhängen: Sie kommen zur Behandlung oder zum Besuch ins Krankenhaus; sie sind als Behandelnde und Pflegende oder in verschiedenen Diensten und in Forschung und Lehre tätig. Alle diese Menschen stehen in ihren jeweiligen sozialen und sonstigen Bezugssystemen und Beziehungen

Menschen haben in körperlicher, seelischer und spiritueller Hinsicht eine Beziehung zu sich selbst und zu Anderen. So lange sie leben, sind sie auf der Suche nach dem, was ihr Leben trägt und ausmacht. Darin wollen sie wahrgenommen, respektiert und gewürdigt werden.

Es gehört zum Wesen der Seelsorge für Menschen im Krankenhaus, in ihren Beziehungen und Bezügen da zu sein und sie in ihren Bedürfnissen nach Sinn und Orientierung, Gemeinschaft und Stärkung, Versöhnung, Vergebung und Frieden wahrzunehmen und zu begleiten. Gleichzeitig steht Seelsorge dafür, dass unser Menschsein mehr ausmacht als die Summe unserer Bedürfnisse, die Vielfalt unserer Beziehungen und sozialen Bezüge, unsere Gesundheit oder Krankheit, unser Gelingen oder Misslingen, weil nach unserem Verständnis das Heil-Sein, die Würde eines Menschen und seine Ganzheit von Gott kommen.

Seelsorge möchte dies in einer „Weggemeinschaft auf Zeit“ im Krankenhaus aufscheinen und erfahrbar werden lassen.

Grund seelsorgerlicher Gemeinschaft im Krankenhaus

Biblische Grundlagen von Seelsorge

Seelsorge ist biblisch begründet und ein Wesensmerkmal von Kirche: Die Texte des Alten Testamentes schildern, wie Gott das Volk begleitet auf seinem Weg durch Höhen und Tiefen. Gottes Name „Jahwe“ bedeutet dort übersetzt „Ich bin da“ (Exodus 3,14). Hieraus ergibt sich der Auftrag der Kirchen in der Seelsorge das Dasein Gottes zu bezeugen. Diese Zusage realisiert sich in der Erfahrung von Gottes und Jesu Zuwendung zu den Menschen. Gemäß dem Wort Jesu im Neuen Testament „Ich war krank und ihr habt mich besucht“ (Matthäus 25,36) machen sich Menschen seit jeher auf den Weg besonders zu den Kranken. Die Zuwendung zu ihnen ist deshalb ureigene Aufgabe christlicher Seelsorge.

Rechtliche Grundlagen von Seelsorge

Christliche Seelsorge im Klinikum der Universität München – Innenstadt ist wie in allen öffentlichen Krankenhäusern durch Verträge des Staates mit der Evangelischen und Katholischen Kirche geregelt und verankert. Als hauptamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger verschiedener Berufsgruppen (Diakone, GemeindereferentInnen, PastoralreferentInnen, PfarrerInnen) sind wir von den Kirchen, denen wir dienstrechtlich unterstehen, für den Dienst im Klinikum München-Innenstadt beauftragt.

Im Grundgesetz (GG Art. 4 Abs.1) ist das Grundrecht jedes Menschen auf freie Ausübung der Religion verankert. Das Prinzip der Religionsfreiheit beinhaltet, dass Seelsorge niemandem vorenthalten werden kann.

Zur Würde der Person gehört das Recht, den eigenen Glauben auszuüben und zu praktizieren (GG Art. 140; BV Art 148).

Seelsorge und Krankenhaus bilden eine vertraglich geregelte Kooperation, die der Seelsorge die nötigen Rahmenbedingungen gewährt.

Wege seelsorgerlicher Gemeinschaft am Klinikum München-Innenstadt

Arbeitsweise der Seelsorge

Wir verstehen Seelsorge als Angebot. Aufgrund der Autonomie und Selbstbestimmung unseres Gegenübers kann es angenommen oder abgelehnt werden.

Seelsorge begegnet Menschen, die im Krankenhaus behandelt werden oder dort arbeiten. Wir erleben dabei, dass sie sich in ihrem Dasein respektiert fühlen wollen sowie ihr Leben als lebenswert und sinnvoll erfahren möchten.

Im Blick auf Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen

Die Patienten begleiten wir durch unser Dasein und Dableiben wie auch im Zuhören und Aushalten ihrer augenblicklichen Situation, die von vielfältigsten Empfindungen und Gefühlen geprägt sein kann (Ohnmacht, Wut, Trauer, Hoffnung...). Wir sind offen für die religiösen Themen, die dabei zum Ausdruck kommen können. Gegebenenfalls suchen wir gemeinsam nach Formen, die dazu behilflich sein können (Gebete, Rituale).

Im Blick auf Mitarbeitende des Klinikums

In gleicher Weise gilt unser Angebot den Mitarbeitenden. Auf Wunsch bieten wir Begleitung bei beruflichen und persönlichen Problemen an. Durch Fortbildungen und entsprechende Angebote eröffnen wir die Möglichkeit, die Mitarbeitenden in ihrem Klinikalltag zu unterstützen und ihre persönliche und spirituelle Entwicklung zu begleiten.

Im Blick auf andere Dienste im Krankenhaus

Gemeinsam mit anderen Diensten im Haus haben wir Wohl und Willen der PatientInnen und der hier arbeitenden Menschen im Blick. Um Seelsorge anbieten zu können, bedarf es deshalb der Kooperation. In einer solchen Verbundenheit können ergänzende und auch unterschiedliche Sichtweisen im Sinne einer ganzheitlichen Fürsorge zum Tragen kommen.

Im Unterschied zu anderen Diensten steht Seelsorge außerhalb der hierarchischen Struktur des Krankenhauses; sie gehört deshalb nicht zu den behandelnden Teams des Klinikums. Wir kommen als Kirche von außen in die Kliniken und verstehen uns dort als „Kirche im Krankenhaus“, die offen ist für alle.

Ökumenische Zusammenarbeit und weltoffene Ausrichtung

Wir nehmen unseren Auftrag in ökumenischer Zusammenarbeit und solidarischer Verbundenheit wahr, wobei die konfessionellen Eigenheiten gewahrt werden. Wir sind offen gegenüber allen Menschen unabhängig von Konfession und Weltanschauung. Wünsche nach Seelsorge anderer Konfessionen werden weitergegeben.

Ehrenamtliche in der Seelsorge

Unter der Verantwortung der Hauptamtlichen und entsprechend der Leitlinien der Kirchen werden Ehrenamtliche in Klinikseelsorge ausgebildet. Sie sind einmal wöchentlich auf bestimmten Stationen tätig. Im regelmäßigen Austausch mit Hauptamtlichen wird die Arbeit der Ehrenamtlichen reflektiert und gefördert.

Fachkompetenz

Für den Dienst der hauptamtlichen Klinikseelsorger und -seelsorgerinnen sind ein abgeschlossenes Studium in Theologie oder Religionspädagogik und eine pastoralpsychologische Ausbildung Voraussetzung.

Hauptamtliche nehmen an weiterführenden Fortbildungen und Supervision zur Vertiefung und Reflexion teil.

Verschwiegenheit

Die Vertraulichkeit der Gespräche wird gewährt (Schweigepflicht und Beichtgeheimnis).

Seelsorge im universitären Betrieb

Es ist ein Grundwesensmerkmal des universitären Betriebes, dass er ein Interesse an Forschung und Lehre hat. Als universitäre Fakultät hat auch die Theologie ein Interesse an Forschung und Lehre im Blick auf die eigenen und anderen Fachbereiche. Deshalb ist es uns ein Anliegen, in Grundzügen zu benennen, wie wir „Forschung und Lehre“ in unserem Dienst verstehen, auch wenn wir keinen expliziten Auftrag dafür haben.

Im Verhältnis zu „Forschung und Lehre“

Etwas wissen zu wollen zählt für uns zu den Grundzügen menschlichen Wesens. Der Mensch ist dabei aus christlicher Sicht als Geschöpf in Verantwortung auf ein Gegenüber hin angelegt. Dieses Gegenüber sind Mitgeschöpfe, die Schöpfung und Gott als der Schöpfer. Den Menschen sehen wir dabei als von Gott mit Würde begabtes Subjekt in allen seinen Bezügen, mit der je eigenen Geschichte, Überzeugungen, Fragen, Suche nach Sinn u.a.. Aus christlicher Sicht sind mit der Geschöpflichkeit der Respekt vor der Unantastbarkeit der Würde des Menschen, der Mitgeschöpfe und die Ehrfurcht vor dem Geheimnis von Leben, Sterben und Tod verbunden. Dies gilt auch, wenn wir uns an Forschung und Lehre beteiligen oder selbst forschen und lehren. Dabei bleibt der Mensch als Gegenüber immer Subjekt. Das forschende und lehrende Interesse bezieht sich auf einen gemeinsamen Weg und den zwischenmenschlichen Raum.

Im Verhältnis zu ethischen Entscheidungsprozessen

Seelsorge im universitären Betrieb ist Ansprechpartnerin bei schwierigen Entscheidungen. Zu unserem christlichen Auftrag gehört es, zum Dialog in ethischen Fragen bereit zu sein oder uns auch kritisch in den Dialog einzubringen, wenn dies geboten scheint.

Im Verhältnis zu Veränderungen im klinischen Sektor

Auf künftig veränderte Bedingungen wie Abbau stationärer Bereiche, immer noch kürzere Liegedauer und zunehmende Bedeutung der ambulanten Patientenversorgung gehen wir ein, indem wir verstärkt Seelsorge in den ambulanten Bereichen leisten wollen.

Wegbegleitung in der spirituellen Dimension

In all diesen Bereichen und den Begegnungen, die wir dort haben, steht Seelsorge für die spirituelle Dimension, die religiöse Tiefenschicht der menschlichen Existenz ein, die immer mehr gesucht und entdeckt wird. Viele sehen heute als wichtigste Aufgabe der Kirche(n) die Öffnung eines Raumes für die Begegnung mit dem Heiligen und für die Botschaft von Gottes Zuwendung zu seiner Welt, im Leben und im Sterben. Die Seelsorge bietet dafür Hilfestellung an. Sie steht für die Würde des Menschen auch in Krankheit und Sterben ein, sieht Sterben als Teil des Lebens, weiß Lebensende und Tod in Gottes Hand gehalten und sucht nach Quellen der Kraft, des Trostes und der Zuversicht.

Orte und Momente seelsorgerlicher Weggemeinschaft - Wie und wo wir anzutreffen sind

Die Klinikseelsorge kann von PatientInnen, Angehörigen und Mitbetroffenen sowie Mitarbeitenden des Klinikums gerufen werden. Sie ist zuverlässig erreichbar. Für seelsorgerliche Notsituationen sind wir nachts, an Wochenenden und Feiertagen in der Regel binnen einer Stunde vor Ort.

Plakate informieren über unsere Zuständigkeit und Erreichbarkeit.

Wir führen seelsorgerliche Gespräche mit PatientInnen und Mitarbeitenden auf Station oder in unseren Gesprächsräumen. Unter besonderen Umständen vereinbaren wir auch Treffpunkte außerhalb des Klinikums.

Wir kommen, um PatientInnen und ihren Angehörigen geistlich beizustehen z.B. mit Gebet, Krankensalbung, -kommunion, -abendmahl, Nottaufe, Segensfeier. Zusammen mit den Betroffenen suchen wir in der Situation nach individuellen Wegen der Begleitung.

Wir begleiten PatientInnen, wenn ihr Leben zu Ende geht, und sind für die Angehörigen und das Stationspersonal da.

Die Kirchen und Kapellen in den verschiedenen Häusern liegen uns als Orte der Stille und des Gebetes am Herzen. Darum sorgen wir für die achtsame Gestaltung dieser Räume.

Wir gestalten das religiöse Leben in der Klinik mit, z.B. in Form von Weihnachtsfeiern, Segnungen, Einweihungen, Gedenkfeiern. Zu unseren ureigenen Aufgaben zählt die Vorbereitung und Feier von Gottesdiensten, in denen wir uns gemeinsam darauf besinnen, dass Gott die Quelle und das Ziel unseres Lebens ist.

Zusammen mit der Klinikleitung laden wir jährlich zum Gedenken an verstorbene erwachsene PatientInnen und KollegInnen sowie an verstorbene Kinder ein.

Auf dem Waldfriedhof begehen wir Zur-Ruhe-Bettungsfeiern von Stillgeborenen der Frauenkliniken am Campus Innenstadt und Großhadern.

Wir arbeiten in Kooperation mit der Seelsorge am Campus Großhadern.

  • Wir bilden Frauen und Männer, die ehrenamtlich bei uns mitarbeiten möchten, für diesen Dienst aus und begleiten sie weiter.
  • Wir unterrichten an der Krankenpflegeschule.
  • Wir stehen in regelmäßigem Kontakt zur Klinikleitung des Gesamtklinikums und der einzelnen Häuser.
  • Durch Öffentlichkeitsarbeit vor Ort, in Intranet und Internet gewährleisten wir Einblick in unsere Dienste und Angebote.
  • Wir stellen auf Wunsch Kontakte zur Kirchengemeinde und zu kirchlichen Einrichtungen her.
  • Wir sind da bei Fragen zur christlichen Religion und zum Kircheneintritt.

Im „Lebensraum“ Krankenhaus, in einer „Weggemeinschaft auf Zeit“, ermöglicht Klinikseelsorge eine Begleitung, die zutiefst geprägt ist von Achtsamkeit, Respekt und Würde in den verschiedenen Begegnungen mit Menschen, die unsere „Lebenswege“ kreuzen.

Die Art und Weise, wie wir unser „Dasein“ im Umgang mit kritischen Lebensereignissen, aber auch im alltäglichen Getriebe unserer Kliniken verstehen, lässt sich gut mit den Worten von Virginia Satir zusammenfassen:

Ich glaube daran,
dass das größte Geschenk,
das ich von jemandem empfangen kann,
ist,
gesehen, gehört,
verstanden und berührt zu werden.
Das größte Geschenk,
das ich geben kann,
ist,
den anderen zu sehen, zu hören,
zu verstehen und zu berühren.
Wenn das geschieht, kommen wir
in Kontakt miteinander.

Sie können sich das Konzept der Seelsorge auch herunterladen: